In komplexen Prozessen denken

Interview mit Peter Breuer, Group Trainings und Innovation Management bei motan holding GmbH. Das Unternehmen aus Konstanz am Bodensee entwickelt Systeme für das Rohstoff- und Materialhandling in der Kunststoffherstellung und -verarbeitung.

Welche Auswirkungen hat Funktionsintegration für motan?
Peter Breuer: Funktionsintegration führt für uns als Hersteller von Peripherie dazu, dass immer höhere Anforderungen an Steuerungen und Schnittstellen gestellt werden. Da müssen wir uns kontinuierlich anpassen. Darüber hinaus müssen wir uns immer stärker mit den komplexen Gesamtsystemen des Kunden beschäftigen. Früher haben wir beispielsweise ein Dosiergerät verkauft, und es war nicht nötig zu wissen, wo und wie genau der Kunde es eingesetzt hat. Das hat sich grundlegend geändert. Heute müssen wird das Gesamtsystem des Verarbeitungsprozesses kennen, also auch das, was uns als Gerätehersteller eigentlich gar nicht betrifft, um applikationsspezifisch entscheiden zu können.
Warum reicht es nicht mehr, bloß die Geräte zu verkaufen?
Breuer: Das kann man an einem Beispiel aus dem Energiebereich zeigen: Wenn wir zur Beheizung eines Trockentrichters die energetisch sehr effiziente Kraft-Wärme-Kopplung einsetzen wollen, müssen wir eine energetische Analyse des Gesamt-Produktionssystems machen. Erst danach kann man ent scheiden, welche Energieströme aus einem Block-Heiz-Kraftwerk sinnvoll ausgekoppelt werden sollten und wo sie – außer zur Beheizung des Trockentrichters – noch genutzt werden können. Es geht also um eine Interaktion eines motan-Gerätes mit anderen Geräten, die nicht von motan sind, aber in einem Systemzusammenhang stehen.
Integrieren Sie auch Funktionen in ihre eigenen Geräte?
Breuer: In unseren Geräten ist eine gewisse Funktionsintegration generell schon seit Jahren Stand der Technik. Da sind wir eigentlich schon sehr weit. Integrieren heißt bislang beispielsweise, dass die Steuerung eines Trockners auch die Funktion besitzt, ein Fördergerät anzusteuern. Das gleiche gilt für Misch- und Dosiergeräte. Jetzt geht es darum, diese Stufe der Integration zu verlassen und das ganze nach außen zu tragen. Hierzu ist eine Vernetzbarkeit mit dem gesamten umgebenden System herzustellen. Dies kann bis weit in die Produktionslogistik und Betriebsorganisation hineingehen.
Wer ist der Treiber dieser Entwicklung? Der Endabnehmer oder motan?
Breuer: Die Initialzündung kommt meistens von den Endanwendern. Die haben Nöte oder auch eine Idee, und die tragen sie an uns heran. Wir greifen diese Idee auf und entwickeln sie weiter, bis am Ende eine Produktinnovation herauskommt. Wir haben seit jeher eine starke applikationstechnische Ausrichtung.
Was überwiegt bei der Funktionsintegration, die Chancen oder die Risiken?
Breuer: Die Chancen überwiegen, sonst würde Funktionsintegration gar nicht betrieben. Funktionsintegration führt zu mehr Wirtschaftlichkeit und mehr Effizienz. Sie ermöglicht auch die Vereinfachung der Maschinen und Anlagen, ihre leichtere Bedienbarkeit und höhere Datentransparenz. Wir sind an einem Punkt, wo die elektronischen Entwicklungen aus dem Consumer-Bereich zunehmend in die Industrie kommen. Künftig kann ich mit meinem Smart-Phone über mein Material-Handling-System einen Prozess starten und steuern, wenn ich die richtigen Schnittstellen habe. Das ist heute noch Zukunftsmusik, aber das ist ein Trend, an dem gearbeitet wird, und das kommt in den nächsten Jahren. Die Internettechnologie wird sich weiter durchsetzen. Sie ist eine der treibenden Kräfte für die Funktionsintegration. Andere sind Energiemanagement oder Produkt-Individualisierung.
Stellt das Internet dann kein Risiko dar: Man kann schließlich Daten in der Cloud stehlen oder manipulieren?
Breuer: Da gibt es noch sehr viel zu tun. Aber das Thema Sicherheit fängt schon viel früher an: Beim Abgreifen von Produktionsdaten mithilfe von Viren. Auf jedem PC läuft heute ein Virenscanner. Bei Automationssystemen ist das noch keineswegs Standard. Viele Systeme sind daher anfällig und boykottierbar. Aus meiner Sicht müssen hier erst noch viele IT-Grundlagen entwickelt werden, die das Sicherheitsniveau in der Industrie erheblich verbessern.
Welche Risiken gibt es noch?
Breuer: Durch immer mehr Funktionsintegration werden Prozesse komplexer. Man muss aufpassen, dass sie noch beherrschbar bleiben. Je mehr man integriert und je mehr Steuerung vonnöten ist, desto komplexer werden die Maschinen. Man darf den Bogen auch nicht zu weit spannen. Außerdem muss es ein vernünftiges Verhältnis zwischen dem Nutzen der Funktionsintegration und dem Gesamtaufwand geben.
Wie nachhaltig ist Funktionsintegration?
Breuer: Nachhaltigkeit ist kein Selbstzweck. Zunächst einmal geht es immer darum, die Effizienz und die Wirtschaftlichkeit beim Einsatz von Ressourcen zu steigern. Das führt heute oft dazu, dass wir uns in erster Linie um Energiebilanzen kümmern. Weil Energie immer teurer wird. Wir optimieren zum Beispiel mit unserem Konzept zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung die Gesamt-Energieeffizienz zwischen eingesetzter Primärenergie und in der Produktion genutzter Energie. Aber selbst nach diesem Optimierungsschritt wird immer noch Primärenergie gebraucht, die meistens nicht aus nachhaltigen Quellen stammt, etwa Erdgas. Zur Erlangung von echter Nachhaltigkeit ist es nun noch nötig, in einer nächsten Stufe auf einen erneuerbaren Energieträger umzustellen, etwa Biogas. Die von uns eingesetzte Technik zur Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung mithilfe eines Blockheizkraftwerkes wird dies begünstigen.
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