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„Wir richten unser Produktportfolio streng an Nachhaltigkeitskriterien aus"

Von Mettmann aus steuert Christof Schotten als General Manager ITW Dynatec, einen global agierenden, dezentralen Spezialisten für Klebstoffauftrag-Systeme. Das 350 Mitarbeiter starke Unternehmen ist eine Division des US-Konzerns ITW, der zuletzt 14 Milliarden Dollar umsetzte. Im Interview berichtet Schotten, wie das Unternehmen eine Krise für eingehende Marktanalysen nutzte, den Wildwuchs im Produkt- und Branchenportfolio lichtete und in sorgfältig ausgewählten Märkten zweistellige Wachstumsraten verbucht.

Herr Schotten, ITW Dynatec ist vielleicht nicht allen Lesern bekannt. Können Sie uns einen kurzen Abriss Ihrer Firmengeschichte geben?

Christof Schotten: Gern. Der Startschuss fiel 1992 mit der Fusion zweier amerikanischer und eines deutschen Herstellers von Klebstoffauftragstechnik unter dem Dach von ITW. Unser Mutterkonzern erkannte seinerzeit das Wachstumspotential im Klebstoffmarkt und investierte strategisch, um sich eine Führungsrolle zu sichern. Weitere Firmenzukäufe in Frankreich und Deutschland haben die Keimzelle Dynatec seither ergänzt. Heute sind wir in Europa, den USA und Asien erfolgreich. Auch und gerade in China. Allerdings stellte sich der Erfolg dort erst ein, als wir 2011 in einem Joint-Venture mit einem chinesischen Partner die Regie übernahmen...
...Sie betonen das...
...weil wir etwas gelernt haben, das andere Unternehmen interessieren dürfte. Trotz des Wirtschaftswachstums blieb der Erfolg aus. Erst als wir mit unserem eigenen Management unsere unternehmerische Strategie umsetzen konnten, ist der Knoten geplatzt.
Klebstoffe sind in vielen Branchen auf dem Vormarsch. Wo sind Ihre Schwerpunkte?
Wir konzentrieren uns auf vier Marktsegmente. Das größte Segment sind die Disposable Hygiene Products - Babywindeln, Inkontinenzprodukte und medizinische Wundversorgung. Wir arbeiten hier mit großen Herstellern der Hygieneprodukte und ihren Maschinenbauern zusammen, die unsere Systeme in ihre Fertigungslinien integrieren. Dieser Bereich macht fast ein Drittel unseres Umsatzes aus und wächst am stärksten. In Asien wegen steigender Geburtenraten. In Europa, USA und Japan wegen der alternden Gesellschaft. Im zweiten Bereich Coating&Laminating geht es um die Herstellung selbst klebender Folienetiketten, von Verpackungsfolien und technischer Textilien – etwa Dachhimmel für Autos. Um uns in diesem Segment zu verstärken, haben wir 2011 die Inatec GmbH übernommen. Sie war mit Rolle-zu-Rolle-Verfahren technologisch stark, aber sehr auf den Inlandsmarkt fokussiert. Seit unserer Verschmelzung treiben wir gemeinsam den globalen Vertrieb voran.
Was ist mit der Druck- und Verpackungstechnik?
Die findet sich in unserem dritten Segment – Kartonverschlüsse und Tray-Verklebungen. Verpackungsfolien und Klebe-Etiketten gehören ja auch in diesen Markt. Doch weil sich die Verfahren sehr unterscheiden, sind sie bei uns eigenständig. Unser viertes Segment nennen wir Product-Assembly, wo wir vor allem Lösungen für die Automobilindustrie liefern; etwa Verklebungen in der Scheinwerfer-Montage. Die Branche stellt hohe Anforderungen, die uns herausfordern und technologisch weiterbringen.
Sie haben zuletzt Ihr Produktportfolio ausgedünnt. Warum?
Wir haben die Wirtschaftskrise 2009 genutzt, um unsere Märkte ausführlich zu analysieren. Wir haben mit Marktforschern, Kunden und Verbänden diskutiert und dann unter anderem entschieden, den Kaltleim-Bereich aufzugeben, obwohl wir da in einigen Bereichen führend waren. Wir führen den Service weiter, investieren aber nicht mehr in F&E und Vertrieb.

Wie haben Sie in Ihren Analysen die Märkte Druck und Verpackung bewertet?
Im Verpackungsmarkt sind wir mit unserer Heißleim-Auftragtechnik sehr aktiv und sehen gerade in Asien sehr gutes Wachstumspotential. Dagegen ist die Lage im Druckbereich schwierig. Hier ist Konsolidierung das Thema. Wir waren im Segment Coating&Laminating für große Druckmaschinenbauer aktiv, was nun spürbar zurückgeht. Konsolidierung birgt aber auch Potential für technische Innovation. Wir arbeiten mit Druckmaschinenbauern aktuell in F&E-Projekten, über die ich nicht im Detail sprechen kann. Unterm Strich sehen wir für unsere Systeme im Druckmarkt aber kaum Wachstumspotential. Mit Ausnahme des Etikettendrucks, wo es hohe Innovationsbereitschaft und gute Perspektiven gibt.
Was haben Sie Kunden im Etikettendruck an Innovation zu bieten?
Wir richten unser Produktportfolio streng an Nachhaltigkeitskriterien aus. Das beginnt bei lebensmittelverträglichen Klebstoffen für Nahrungsmittelverpackungen, deren Entwicklung wir im Zusammenspiel mit Klebstoffherstellern vorantreiben. Und es geht mit Energie- und Rohstoffeffizienz weiter. Zu nennen wäre unser patentiertes UFD-Verfahren, mit dem wir den Klebstoffverbrauch je nach Anwendung um bis zu 50 Prozent senken. Mancher Kunde gibt jährlich sechsstellige Summen für Klebstoffe aus. Die UFD-Auftragsköpfe amortisieren sich in vielen Fällen in weit unter zwölf Monaten.
Welche Technik verbirgt sich hinter diesem hoch effizienten Verfahren?
Der Name steht für Uniform Fiber Deposition, also einen gleichmäßigen Fadenauftrag. Die Auftragsköpfe legen ein Netz hauchdünner Fäden auf die Klebenaht. Die frei variierbaren Muster schaffen viele Haftpunkte. Ihre Klebwirkung steht einem geschlossenen Film aus Schlitzdüsen oder von Walzen in Nichts nach. Wir können die Klebstoffmenge auf unter ein Gramm genau portionieren, bei höchster Rand- und Breitengenauigkeit. Anders als in herkömmlichen Verfahren fällt kein Klebstoffüberschuss an. Wo der Verbrauch sinkt, muss weniger Klebstoff auf 150 - 200 °C Bearbeitungstemperatur gebracht werden. Zudem wird mit geringsten Druckluftmengen gearbeitet. Und nicht zuletzt lässt die UFD Technologie schnelle Produktwechsel zu, da sich die Auftragsbreiten schnell und flexibel ändern lassen.
Klingt beeindruckend. Gibt es weitere Innovationen aus Ihrem Haus?
Unsere Vektor Surge Technologie wurde sowohl auf der IDEA in Miami als auch auf der INDEX in Genf ausgezeichnet. Sie kann Klebstoffe in einem Durchlauf sowohl in Längs- als auch in Querrichtung aufbringen. Das erlaubt den schnellen Auftrag von Rechtecken mit ausgesparter Mitte. Aktuell sind wir mit einer weiteren Innovation – dem TwinCoat – auf der LabelExpo in Chicago nominiert. Dieses Verfahren ersetzt rund 80 Prozent des teuren Klebstoffs durch billigen Füllklebstoff. Im Auftragskopf gibt es zwei Kammern, aus denen beide Klebstoffe extrudiert werden. Bei mehrbahnigen Verpackungsfolien kann TwinCoat mindestens eine Folienschicht durch Klebstoff substituieren. Es stehen Anwendungen im Fokus, bei denen teurer Klebstoff mit dem billigeren Füllklebstoff aus einem Auftragskopf extrudiert werden. Wo sonst 10 g vollflächig aufgebracht werden müssen, reichen nun 2 – 3 g des formulierten Klebstoffs, der für die Haftung am Substrat sorgt.
Gibt es in Ihrem Geschäft High- und Lowtechanwendungen?
Der Verschluss von Kartonagen mit Klebstoffpunkten bei Bandgeschwindigkeiten von 30 Metern pro Minute ist weniger anspruchsvoll, als das Verkleben von Windel-Bündchen in Anlagen, die 1.000 Windeln pro Minute produzieren. Trotz der Luftverwirbelungen bei 600 Metern Bandgeschwindigkeit gilt es, feine Plastikfäden präzise mit Klebstoff zu ummanteln. Das setzt Hightech voraus. Um trotz stetig steigender Fertigungsgeschwindigkeiten am Ball zu bleiben, müssen wir hier hohen F&E-Aufwand betreiben. Aber genau das sind Märkte, in denen wir uns von Wettbewerb differenzieren können. Die ITW im Rücken ist dafür sehr hilfreich – so gesehen beziehen wir aus der Rolle als „Mittelständler" im Konzern die nötige Stärke, um unsere Ideen umzusetzen und uns im Markt zu behaupten.
www.vdma.org

 

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